Zufall?

Christines Freundin hat einen Sohn - also beneidenswert ist der! Dieser Jüngling - nennen wir ihn einmal ganz niedersächsisch-hannöversch, zum Beispiel „Georg- Wilhelm" - also Georg-Wilhelm hat in seinem auch sonst glanzvollen Abitur eine noch glanzvollere Mathe-Prüfung hingelegt. Mathe-Versager, Unbegabte, normale Menschen also wie Du und ich dichten so jemanden wie Georg-Wilhelm magische Kräfte an oder aber Genius und bewundern ihn, beneiden ihn, möchten nie solch Zahlenmensch sein oder würden nichts lieber sein. Je nach Charakter…Mehr aber als um dieses Abitur oder um sein Zahlenwerk im Kopfe beneiden manche den armen Georg-Wilhelm jetzt um seine unglaubliche glückliche Hand beim Umgang mit anderem Papier. Georg-Wilhelm erhielt - wie so viele Schulabsolventen - das übliche Formular vom Kreiswehrersatzamt und sollte - wie so viele - ankreuzen, welche Waffengattung ihm am liebsten sei. Georg-Wilhelm war-wie so vielen - eigentlich gar nichts am liebsten, weil er so bald wie möglich studieren wollte. Aus eben demselben Grund will er auch nicht Zividienst leisten, weil dies länger als die Zeit beim Bund andauern würde. Und bei Terminzahlen nimmt es Georg-Wilhelm, was Wunder, ebenso genau wie sonst bei Zahlen. Also das Ja zum Bund, also jetzt ankreuzen. „Kreuz die Marine an", empfahl ihm einer, der als Eingeweihter galt. „Marine ist derart begehrt und überfüllt - da nehmen die Dich gar nicht erst... und Du kannst erstmal studieren gehen." Georg-Wilhelm meldete sich unter „Marine". Die Leserinnen, die Gespür für die sogenannten „Schicksalszufälle" haben, wissen, woher Georg-Wilhelm derzeit Postkarten schreibt, welche immer noch leichtes Verwundern, eine gewisse Perplexität und restliche Verdutztheit zwischen den Zeilen ausstrahlen. Aus Sylt, schreibt der Junge diese Postkarten und woran denkt der Mensch bei Sylt? Richtig, an Wasser. Denn Georg-Wilhelm ist dort einer Marine-Einheit zugeteilt worden. Eigentlich hätte er es wissen müssen, von wegen Wahrscheinlichkeitsrechnungskenntnissen, der Georg-Wilhelm. Er hätte vorher leicht berechnen können, wie hoch- wahrscheinlich die Unwahrscheinlichkeit ist, als Heidjer-Junge mit Mathe im Kopf dahin zu kommen, wohin es am wenigsten gehen konnte. Er hat aber nicht gerechnet. Sondern wie so viele kluge Köpfe - einem der vielen „Eingeweihten" geglaubt. Zufall? Zufälle sind alles andere als Zufall. Vielmehr fallen sie einem zu. Junge, komm bald wieder!

30. Juli 1996